Patientenwert
Neue Wege in der Gesundheitsversorgung?
Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Klinik Einkauf“ zieht mich in ihren Bann. Diesmal bleibe ich bei vielen Artikeln des Heftes hängen, in denen es um Innovationen, Prozesslandschaften und die Zusammenarbeit aller Organisationseinheiten geht. Es freut mich, dass Themen wie die Vielfalt der OP-Logistik, Prozessoptimierungen, Stammdatenqualität und OP-Auslastung jetzt auch im Einkauf präsenter und als wichtige Faktoren eingestuft werden.
- Josephine Ruppert
- Josephine Ruppert
Der Nachhaltigkeitswert und die Umweltfreundlichkeit der im Einsatz befindlichen Produkte bekommen ebenfalls mehr und mehr Bedeutung. Des weiteren wird darüber berichtet, dass die Digitalisierung alleine noch keine Prozessverbesserung darstellt und dass der Weg zum Smart Hospital ohne Investitionen und ohne Personal unmöglich ist. Viele Kennzahlen, die einer besseren OP-Auslastung dienen sollen, verwirren. Durch fehlende Eindeutigkeit bei der Zuordnung von Zeiten sind die Daten kaum verwertbar.
Ich freue mich, wenn ich all diese Artikel lese. Die Themen sind eng mit unseren Dienstleistungen und Lösungen verknüpft und bestätigen uns, dass wir richtig liegen und genau die Inputs, Daten, Konzepte und Wissensangebote liefern, die die Kliniken in all diesen aktuellen Themen unterstützen.
„Value-based Healthcare” – die wertorientierte Gesundheitsversorgung
Die aktuellen Artikel machen deutlich: Themen wie Value-based Healthcare (VBHC) und Value-based Procurement, Prozesskosten– sowie Make-or-Buy-Rechnungen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Im Zentrum steht dabei eine wertorientierte Gesundheitsversorgung, die zwei vermeintliche Gegensätze kombiniert. Ihr Ziel ist es, die Behandlungsergebnisse für Patient*innen zu verbessern UND zugleich die Kosten für das Gesundheitssystem zu senken. Mit anderen Worten: Die bewusst gewählten Produkte, Serviceleistungen, Prozesse und Konzepte werden so aufeinander abgestimmt, dass das Patientenergebnis pro ausgegebenem Euro innerhalb des Gesundheitssystems verbessert wird. Gleichzeitig sinken die direkten und indirekten Gesamtkosten pro Patient*in. Das Konzept wurde 2006 von Michael Porter und Elizabeth Olmsted Teisberg vorgestellt.
Dieser Ansatz ist komplex und zeigt auf, dass der eigentliche Gewinnhebel längst nicht mehr in der Senkung von Einkaufspreisen liegt, sondern in der Abstimmung von Prozessen, Produkten und Leistungen. Diese ganzheitliche Betrachtung und Berechnung der Kosten wird im Einkauf, Controlling und Klinikmanagement einiges verändern und die fehlende Wirtschaftlichkeit von lieb gewonnenen Gewohnheiten aufdecken.
Inwieweit das VBHC-Konzept gelebt wird und sich auf die Behandlungsqualität und Standardisierung innerhalb eines klinischen Fachbereiches auswirkt, bleibt abzuwarten. Die Idee ist sehr spannend, denn hier geht es nicht mehr nur um den Preiswettbewerb, sondern auch um den Qualitätswettbewerb, was heißt, dass sich der Wert des Patienten sowohl an der Wirtschaftlichkeit als auch an der Qualität des medizinischen Ergebnisses ableitet.
Voraussetzungen für eine wertorientierte Gesundheitsversorgung
Die Voraussetzung für die Messung von Ergebnissen im Kontext zu den Kosten für jeden einzelnen Patienten bedeutet zuerst einmal Arbeit. Klinikleiter und Chefärzte müssten sich mit ihrem Team auf Standards innerhalb der einzelnen Fachbereiche einigen. Davon sind die meisten Kliniken noch weit entfernt.
Diese Standards betreffen vor allem optimierte, patientenorientierte Abläufe und eindeutige Materialstandards. Komplexität ist teuer und überfordert. Daher ist der Weg aus der Vielfältigkeit in die Standardisierung unabdingbar. Sie ermöglicht Transparenz, Kostensenkungen, beschleunigte Prozesse, Patientensicherheit und Qualitätssteigerungen. Darüber hinaus entlastet sie die Pflege extrem, z.B. beim Rüsten zur OP und bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Durch die maximale Reduktion nicht wertschöpfender Tätigkeiten werden Personaleinsatzquoten reduziert und für die eigentliche Pflegearbeit freigesetzt.
Einkauf als strategischer Partner der Klinik
Somit wird der Einkauf zum strategischen Partner der Klinik, der durch seine wert- und prozessorientierte Beschaffung die Standardisierung der Behandlung unterstützt. Dies bedeutet eine Absage an das billigste Produkt und eine Orientierung an der Patienten-Qualität, die je investiertem Euro erzielt werden kann. Auf den Einkauf kommen somit spannende Verantwortungsbereiche zu. Value-based Healthcare und Value-based Procurement (wertorientierte Beschaffung) verlangen die ganzheitliche Sicht auf Prozesse sowie deren Effizienz und Wirtschaftlichkeit.
Diese ganzheitliche Sicht ist in der Gesundheitsbranche immer noch unüblich. Bis heute sind Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen lediglich auf den Preis eines Produktes beschränkt. Außen vorgelassen werden die Kosten, die ein Produkt durch Einkauf, Lagerung und Bereitstellung verursacht oder inwieweit es Anschlussprozesse und den Outcome von Versorgungsleistungen beeinflusst. Kostentechnisch wird ebenfalls ignoriert, wie hoch der Aufwand für die Beschaffung von Ersatzprodukten geworden ist, die durch MDR-Vorgaben oder pandemiebedingte Lieferengpässe erforderlich werden.
Make or Buy?
Alles selbst machen oder zukaufen und einen Systemlieferanten verpflichten? Diese Make-or-Buy-Frage kann nur dann beantwortet werden, wenn die ganzheitlichen Kosten bekannt sind und somit eine Entscheidung unter wirtschaftlichen Aspekten getroffen werden kann.
Als Dienstleister und Systemlieferant stoßen auch wir hier immer wieder an Grenzen in den Kliniken. Die Preise für Materialien sind im Einkauf verankert, doch die Transparenz hinsichtlich aller benötigten Artikel pro Patient und die Aufwendungen für Lager, Verwurf, Bereitstellung, Sterilchargen-Kontrolle und Dokumentation innerhalb des Produktkreislaufes fehlt oftmals komplett. Spannend wird es, wenn ersichtlich wird, welchen Einfluss die Produktbereitstellung auf die Prozessqualität, die OP-Auslastung und den Personaleinsatz im vorgelagerten und perioperativen Bereich hat. Es gibt bereits Tools, die ermöglichen, diesen Einfluss offen zu legen und zu messen. Und auch wenn dies nicht von heute auf morgen geht: Jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt.
Value-based Healthcare – aber wie?
Sind Sie bereit, sich Ihren Weg zur wertorientierten Gesundheitsversorgung mit uns zusammen näher anzusehen? Gerne teilen wir all unser Praxiswissen und unsere bewährten Werkzeuge mit Ihnen.
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