Psychische Gesundheit

Ausgebrannt? Wenn Dauer-Krisen zu Krankmachern werden

Selbst bei gefestigten Persönlichkeiten wird derzeit schwer an der psychischen Stabilität gerüttelt. Während private Herausforderungen und berufliche Belastungen bereits stark an den eigenen Kräften zehren und einen Großteil der verfügbaren Ressourcen verbrauchen, reihen sich unaufhörlich globale Katastrophen in unsere neue Realität ein. Pandemie, Klima-Krise und – als wäre das alles nicht schon genug – nun noch ein Krieg mit unabsehbaren Folgen für unser aller Zukunft. Die äußeren Umstände verlangen viel Kraft und Energie ab, die zum Funktionieren, zum Leisten und zum Performen fehlen. Mit leeren Tanks geht es ohne Verschnaufpause direkt in die nächste Dauer-Krise – Burnout und Depression können die Folge sein.

Psychsiche Gesundheit Ausgebrannt Wenn Dauerkrisen krank machen
Genug ist genug: Psychische Gesundheit ist ein Thema, das jede:n angeht. Erfahren Sie mehr über Ursachen und Signale psychischer Überlastungen sowie Maßnahmen, um gesund zu bleiben. | Bild: ©fabrikasimf - de.freepik.com
Psychsiche Gesundheit Ausgebrannt Wenn Dauerkrisen krank machen
Genug ist genug: Psychische Gesundheit ist ein Thema, das jede:n angeht. Erfahren Sie mehr über Ursachen und Signale psychischer Überlastungen sowie Maßnahmen, um gesund zu bleiben. | Bild: ©fabrikasimf - de.freepik.com

Leidensfähig bis zum Gehtnichtmehr?

Was zu viel ist, ist zu viel: Eine Berufsgruppe dürfte davon längst eine ganze Liedersammlung singen können – Mitarbeitende im Gesundheitswesen, deren angekratztes Nervenkostüm noch keine Gelegenheit hatte, sich von den Strapazen der vergangenen Jahre zu erholen. Wenn zu den oftmals zermürbenden Alltagsproblemen in Krankenhäusern noch Existenzängste, Perspektivlosigkeit und weltpolitische Sorgen hinzukommen, ist die Grenze der Überforderung noch schneller erreicht als sonst. Wie viel Krise können wir eigentlich ertragen? Ist es überhaupt in Ordnung, über das eigene Wohlergehen nachzudenken, während nebenan Bomben fallen und Familien auseinandergerissen werden? Und was können wir tun, um irgendwie doch weiterzumachen, ohne allmählich auszubrennen?

Nichts für Schwächlinge

Psychische Gesundheit – persönlich wie auch am Arbeitsplatz – ist ein Thema, dass jede:n angeht, um folgereiche Belastungsstörungen zu vermeiden. Selbst prominente Dauerperformer:innen berichten darüber, wie sie sich unerwartet im Burnout wieder gefunden haben. Jahrelange Höchstleistungen ohne Ausgleich können nicht funktionieren. Wenn der Verstand die Notbremse nicht zieht, tut es irgendwann einmal der Körper.

Promis machen Mut

So berichtet auch der ehemalige deutsche Skispringer Sven Hannawald: „Ich habe am eigenen Leib erfahren, was ein Leben auf der ständigen Überholspur bedeutet und was es dem Menschen abverlangen kann.“ Wie ihm geht es vielen Leistungsträger:innen und High Performern. Um einige Beispiele zu nennen

  • TV-Koch Tim Mälzer
  • Die Pop-Sängerin Mariah Carey
  • Professorin Miriam Meckel (sie schrieb ein Buch über ihr Burnout-Leiden)
  • SPD-Politiker Matthias Platzek
  • Max Eberl (ehemaliger Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach)

Die Liste ließe sich fortsetzen. Vielen stillen Held:innen des Alltags geht es genauso. Sie machen weiter, obwohl sie eigentlich nicht mehr können. Sie erkennen häufig selbst nicht, was los ist. Außerdem ist die Angst groß, als Versager:in dazustehen und stigmatisiert zu werden. In unserem Wirtschaftssystem ist schließlich kein Platz für Schwächlinge, so der allgemeine Tenor. Dies gilt weitläufig auch für Kliniken und Krankenhäuser. Wer nicht abliefert, droht, ausgemustert zu werden.

Wirtschaftliche Kosten

Dabei ist es für Arbeitgeber wichtig, die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden ernst zu nehmen. Ausbrennen hat nicht nur persönliche Konsequenzen, sondern auch ökonomische. Die Massen-Abwanderung aus der Pflege, beispielsweise, hat u.a. auch hier ihre Ursachen. Kliniken, die von ihren Mitarbeitenden in Bezug auf Management, Organisation, Kommunikation und Umgang miteinander als mangelhaft beurteilt werden, haben es besonders schwer. In kranken Strukturen gelingt es den wenigsten, dauerhaft gesund zu bleiben. Die Folge ist, dass Pflegende auf lange Sicht ausfallen oder flüchten.

DIE HÄUFIGSTEN STRESSFAKTOREN

16 Milliarden Euro – das sind die Kosten für psychische Erkrankungen in Deutschland pro Jahr (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin). Jede zweite Frühverrentung ist mittlerweile auf psychische Faktoren zurückzuführen. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat in Kooperation mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) eine Erwerbstätigen-Befragung durchgeführt (2012) und die häufigsten Stressfaktoren ermittelt:

  • Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit (knapp 70 Prozent)
  • Fehlen notwendiger Informationen (knapp 70 Prozent)
  • keine rechtzeitigen Informationen (rund 60 Prozent).

40 Prozent der Befragten erleben die folgenden Belastungsfaktoren:

  • die gleichzeitige Betreuung mehrerer Arbeitsaufgaben
  • Termin- und Leistungsdruck
  • sich wiederholende Arbeitsvorgänge
  • Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit.

Die Hauptbereiche, die psychische Belastungen verursachen können

In Anbetracht der enormen wirtschaftlichen Kosten gibt es mittlerweile diverse Anbieter, die „Psychische Gefährdungs-Beurteilungen am Arbeitsplatz“ durchführen, um Stressquellen genauer zu untersuchen. Am Arbeitsplatz gibt es insgesamt 5 Bereiche, die sich positiv oder negativ auf die psychische Gesundheit auswirken können:

  • Arbeitsaufgabe (Machbarkeit, Freiheitsgrade, Handlungsspielraum, Sinnverständnis, Verantwortung, Qualifikation)
  • Arbeitsorganisation (Arbeitszeiten und Arbeitsabläufe, Ergonomie, Zeitdruck, Störungen)
  • Soziale Beziehungen (Führungsverhalten, Unternehmenskultur, Fürsorgepflicht, soziale Unterstützung im Team)
  • Arbeitsumgebung (klassischer Arbeitsschutz: Physikalische, chemische und physische Faktoren)
  • Neue Arbeitsformen (Digitalisierung, Entgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben, ständige Erreichbarkeit).

Überlastungen, die sich aus diesen Bereichen ergeben, lassen sich erkennen. Achten Sie auf die folgenden Verhaltensweisen und Symptome, um rechtzeitig entgegenzuwirken.

Die Signale, um psychische Überlastungen zu erkennen

  • Die quantitative Arbeitsleistung lässt nach
  • Die qualitative Arbeitsleistung lässt nach (Fehler, mangelnde Konzentration, etc.).
  • Verhaltensänderungen gegen über Kolleg:innen und Vorgesetzten
  • Unmutsäußerungen, zynische Bemerkungen und direkte Beschwerden
  • Geistige Abwesenheit, auffallende Schweigsamkeit
  • Rückzug aus dem sozialen Gefüge
  • Häufige Fehlzeiten
  • Rauschmittelkonsum (insbesondere Alkohol und Medikamente)

Die Maßnahmen, um selbst psychisch gesund und stabil zu bleiben

Sofern Sie selbst am Arbeitsplatz besonders belastet sind, ist es wichtig, den eigenen Handlungsspielraum zu erkennen und zu nutzen. Es gibt etliche Maßnahmen, die Ihnen helfen, trotz enormer Stressfaktoren psychisch gesund zu bleiben. Eine Auswahl:

Bringen Sie Angst-Themen auf den Tisch

Nicht ausgesprochene Ängste können sehr belasten. Deshalb appelliert Birgit Hahn vom Evangelischen Klinikum Bethel in Bielefeld: „Führungskräfte, redet über den Ukraine-Krieg!“ Auf den ersten Blick hat die Arbeit von Pflegekräften nichts mit der politischen Weltsituation zu tun. Doch Angst haben zu dürfen und über Ängste sprechen zu können, stärkt die seelische Gesundheit der Mitarbeiter:innen. Birgit Hahn geht dabei sehr pragmatisch vor, indem sie in der Kaffeepause oder Mittagsübergabe fragt: „Wie geht es euch mit dem Krieg in der Ukraine? Welche Fragen beschäftigen euch?“ Auf diese Weise schafft sie Raum, um sich auf der menschlichen Ebene zu begegnen.

Prüfen Sie, wo Sie Verbesserungen am Arbeitsplatz für sich und andere erzielen können

Sofern Sie nicht an der Spitze des Klinikums stehen, ist Ihr Einflussbereich eingegrenzt. Doch Handlungsspielraum ist (fast) immer da und kann genutzt werden. So sind für Mitarbeitende zum Beispiel Variabilität innerhalb des Arbeitsspektrums und Freiheitsgrade wichtig, um einem Monotonie-Erleben bzw. psychischer Sättigung zuvorzukommen. Prüfen Sie, zum Beispiel, wo sie Ihren Mitarbeitenden Entscheidungsfreiheiten gewähren können, um die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu stärken. Prüfen Sie auch für sich selbst, wo Sie Freiheitsgrade nutzen können, ohne dass dadurch ein Schaden entsteht.

Stärken Sie Ihre persönliche Resilienz

Persönliche Resilienz beschreibt Ihre Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu meistern. Dabei handelt es sich um einen Prozess, immer wieder neu auf Veränderungen durch ein Anpassen des eigenen Verhaltens zu reagieren. Dabei lässt Resilienz für Opferrollen keinen Raum und baut stattdessen auf 7 Säulen. Diese 7 Säulen haben wir hier für Sie beschrieben.

Denken Sie nicht „Entweder-oder“, sondern „Sowohl-als-auch“

Der Karneval ist vorbei, doch die Debatten waren laut: Darf man angesichts der ernsten politischen Lage überhaupt feiern, albern und ausgelassen sein? Ist das überhaupt angemessen? Doch auf dieser Welt können Trauer und Freude nebeneinander existieren: Trauer, weil der geliebte Opa im Sterben liegt. Freude, weil seine Enkelin das Licht der Welt erblickt. Sie dienen niemandem, wenn Sie die Freude komplett ausblenden und ablehnen, um in Angst und Depression zu versinken. Für sich selbst, als auch für andere Menschen, können Sie eine Stütze sein, indem Sie Dinge tun, die Ihnen Kraft und Zuversicht schenken.

Sorgen Sie für Ausgleich in der Freizeit

Wer zu viele Baustellen in seinem Leben hat, ist schnell überfordert. Erschaffen Sie sich deshalb ein privates Umfeld, das Ihnen ermöglicht, Ihre Akkus aufzuladen. Wer bereits ausgebrannt ist, zieht sich womöglich zurück und hat keine Lust auf soziale Kontakte. Doch gemeinsames Lachen ist die beste Gesundheits-Prophylaxe. Beim Lachen werden Glückshormone (Endorphine) produziert, die Stimmung steigt. Gleichzeitig wird die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin unterdrückt. Im Beruflichen herrscht zurecht Distanz- und Maskenpflicht, umso wichtiger sind Nähe und Berührungen im privaten Umfeld. Liebevolle Berührungen, Kuschel- und Streicheleinheiten aktivieren die Ausschüttung des Glückshormons Oxytocin. Stresshormone werden abgebaut, Herzschlag und Atmung verlangsamen sich und sorgen dafür, dass der Körper sich regenerieren kann.

Ausgleich statt Ersatzbefriedigung

Wer bereits aus dem Gleichgewicht geraten ist, tendiert je nach Neigung zu Aufputschmitteln, Alkohol, Tabletten und Fast Food. Diese Mittel verschaffen die Illusion einer kurzfristigen Verbesserung. Stattdessen lohnt es sich, den inneren Schweinehund zu überwinden, sich in der Natur an der frischen Luft zu bewegen und bewusst auf frische und gesunde Lebensmittel zu setzen.
Sport ist hilfreich, solange er nicht zur Sucht oder zusätzlichen Stressquelle wird. Moderat betrieben, hilft er ebenfalls dabei, Stresshormone abzubauen, zu regenerieren und leistungsfähig zu bleiben. Durch körperliche Bewegung gelangt vermehrt Sauerstoff in die Zellen, und der Stoffwechsel wird angekurbelt. Blutzucker, Blutfette und eben auch der Stresshormonpegel sinken, während die Produktion von Glückshormonen wie Endorphinen und Serotonin ansteigen.

Fazit: Systemische und persönliche Lösungen finden

Unser Appell an Ihr Klinikum

Menschlichkeit, Gesundheit und Wirtschaftlichkeit sind kein Widerspruch, sondern gehen Hand in Hand. Optimal ist es für Kliniken, sich systemisch ernsthaft um die Voraussetzungen zu kümmern, dass Mitarbeitende leistungsfähig bleiben können.

Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Symptome der psychischen Überlastungen in Ihrem Klinikum erkennen. Mit unseren JR-Dienstleistungen setzen wir uns bereits seit 1998 ein, damit Mitarbeitende im OP gesund bleiben können – bei gleichzeitiger Erhöhung der Wirtschaftlichkeit. Hier können Sie mehr erfahren.

Unser Appell an Sie persönlich

In China gibt es für Krise und Chance nur ein und dasselbe Schriftzeichen, denn beide sind zwei Seiten derselben Medaille. Erkennen Sie die Chancen und legen Sie die Verantwortung für Ihre Gesundheit nicht in die Hände anderer. Nutzen Sie stattdessen Ihren persönlichen Spielraum. Was auch immer auf dieser Welt und in Ihrer Klinik los ist: Bleiben Sie gesund und sorgen Sie gut für sich!

Herzliche Grüße
Ihre Josephine Ruppert

HILFE IN AKUT-SITUATIONEN

Dieser Beitrag behandelt Gesundheitsthemen, die ausschließlich zu Informationszwecken bestimmt sind. Die Informationen stellen in keiner Weise Ersatz für professionelle Beratungen und/oder Behandlungen durch ausgebildete und anerkannte Fachärzt:innen dar. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie oder jemand anderes dringend Hilfe benötigt, wenden Sie sich bitte an eine Vertrauensperson, Ihre Haus- oder Fachärzt:innen, den medizinischen Not- oder Rettungsdienst oder eine nahegelegene medizinische Einrichtung. Ebenfalls ist die Telefon-Seelsorge unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 jederzeit (auch anonym) erreichbar.

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